Um neue Therapeutika gegen Krebs, neurodegenerative Erkrankungen und mikrobielle Infektionen herzustellen, sind Fraunhofer-Forscher an der Entwicklung eines nachhaltigen Herstellungsprozesses für Taxol-Derivate mit integrierter Produktaufarbeitung beteiligt. Substrat für das biotechnologische Verfahren sind biogene Reststoffe.

Der Wirkstoff Taxol, der in der Rinde der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) entdeckt wurde, ist ein bewährtes Therapeutikum bei Tumorerkrankungen wie Brust- oder Prostatakrebs. Neuerdings werden dem Wirkstoff zudem positive Effekte bei der Behandlung der Alzheimerschen Krankheit zugeschrieben. Allerdings ist die Pazifische Eibe nur wenig verbreitet und ihr Taxolgehalt gering. Im industriellen Maßstab wird Taxol daher zumeist auf semi-synthetischem Weg hergestellt, aus einer in den Nadeln der Europäischen Eibe (Taxus baccata) vorkommenden Vorstufe. Daneben kann Taxol biotechnologisch aus Eibenzellkulturen gewonnen werden. Die Pflanzenzellen wachsen aber vergleichsweise langsam, zudem entstehen hierbei unerwünschte Nebenprodukte. Da Taxol nur schwer wasserlöslich ist, sind für seine Aufreinigung momentan zudem erhebliche Mengen an Lösemitteln und ein energieintensiver Umkristallisationsschritt erforderlich.

Um den wachsenden Bedarf des pharmazeutischen Produkts auf umweltfreundliche und zugleich wirtschaftliche Weise sicherzustellen, erarbeiten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB am Straubinger Institutsteil BioCat im Projekt SysBioTerp gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie eine neue biotechnologische Produktionsplattform von Taxol-Derivaten aus biogenen Reststoffen. Dem ambitionierten Vorhaben liegt ein systematischer Ansatz zugrunde, bei dem mittels einer iterativen Vorgehensweise eine Reihe unterschiedlicher Methoden zum Einsatz kommt. Die für den optimierten Herstellungsprozess benötigten Technologien umfassen die genetische Optimierung, metabolische Modellierung und globale metabolische Analyse des Produktionsstammes und vor allem die Kombination mit einer verfahrenstechnisch optimierten, integrierten Aufarbeitungsstrategie.

Komplexe Biomasse-Abfälle, beispielsweise Stroh, sollen zu zuckerhaltigen Fermentationsrohstoffen aufgearbeitet werden, die dem in der Biotechnologie etablierten Produktionsorganismus Escherichia coli als Substrat dienen. Dieses Bakterium ist per se nicht in der Lage, die für die Taxolsynthese benötigte Grundstruktur, das Diterpen Taxadien, herzustellen. Die Forscher greifen daher auf einen Stamm zurück, in dem die für die Taxadien-Synthese benötigten Enzyme bereits integriert sind. Dieser wird vom Projektpartner und Koordinator des Projekts Prof. Dr. Thomas Brück, Fachgebiet Industrielle Biokatalyse der Technischen Universität München, entwickelt. »Im Gegensatz zu Arbeiten anderer Forschergruppen stehen beim SysBioTerp-Ansatz vor allem strukturell einfachere Taxol-Derivate im Fokus, nicht das hochkomplexe Taxol-Molekül«, erläutert Dr. Michael Hofer, Leiter der Arbeiten am Institutsteil BioCat. Denn Struktur-Wirkungsstudien belegen, dass nicht alle Teile des Taxol-Moleküls für die erwünschte Bioaktivität benötigt werden. Neuere Studien haben sogar gezeigt, dass speziell solch strukturell minimierte Taxol-Derivate antibiotische Aktivität zeigen. Demnach sollte es für eine gezielte spezifische Bioaktivität ausreichen, ausgewählte funktionelle Gruppen in das Taxadien-Grundgerüst zu integrieren. Die Zahl der benötigten Stoffwechselschritte kann so auf das je nach Einsatzgebiet notwendige Minimum beschränkt werden.

Hier unter anderem kommen die Straubinger IGB-Forscher zum Einsatz. Sie entwickeln die Biokatalysatoren für die Funktionalisierung des Taxadien-Grundgerüst. »Hierzu screenen wir zunächst nach Enzymen, welche die spezifischen Hydroxylierungsschritte katalysieren. Diese Funktionalisierung ist notwendig, um aus dem Taxadien-Grundgerüst einen bioaktiven Wirkstoff zu machen«, so Hofer. Zusätzlich werden Enzyme benötigt, die diese Hydroxylgruppen durch die Übertragung einer Acetylgruppe weiter funktionalisieren können. Hier nutzen die Forscher bekannte Enzyme, die ähnliche Reaktionen katalysieren.

Vorteil der biotechnologischen Herstellung gegenüber der konventionellen chemischen Synthese ist ein verminderter Energiebedarf, da der Prozess unter moderaten Temperaturen und Drücken abläuft. Zudem führt die Integration neuartiger Aufarbeitungsmethoden zu einem erheblich reduzierten Bedarf an organischen Lösemitteln.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über eine Laufzeit von drei Jahren gefördert. Mit dem im Projekt entwickelten nachhaltigen Produktionsprozess sollen neue Verbindungen mit Aktivitäten gegen Krebs, neuropathische Störungen und Infektionserreger hergestellt werden. Projektpartner sind die Technische Universität München (Fachgebiete Industrielle Biokatalyse und Selektive Trenntechnik sowie Lehrstuhl für Biochemie), die Ruhr Universität Bochum (Nachwuchsgruppe Mikrobielle Biotechnologie), Phytowelt Green Technologies GmbH sowie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik).