AG SILVA des Spitzenclusters BioEconomy zu Gast bei Zellstoff Stendal

Die Arbeitsgruppe SILVA besuchte mit interessierten Clusterakteuren das Zellstoffwerk Stendal

Die Arbeitsgruppe SILVA besuchte mit interessierten Clusterakteuren das Zellstoffwerk Stendal

Der Nebel hing dicht über der Altmark, als die 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AG SILVA-Exkursion am 30. Oktober 2015 in Arneburg eintrafen. Das Zellstoffwerk war mit dem bloßen Auge fast nicht erkennbar, doch Dr. Martin Zenker, Leiter der Technologieabteilung der Zellstoff Stendal GmbH und Vorstandsmitglied des BioEconomy e.V., konnte den Zuhörerinnen und Zuhörern durch einen interessanten Vortrag einen Einblick in die Prozesse des Werks geben, das sich mehr und mehr als moderne Bioraffinerie präsentiert. Dazu gab es einen Crashkurs zu den Grundzügen der Zellstoff- und Zuckerchemie vom wissenschaftlichen Koordinator im Clustermanagement des BioEconomy Clusters, Dr. Rainer Busch.

Die Zellstoff Stendal GmbH ist Zentraleuropas modernster und größter Hersteller von NBSK (Northern Bleached Softwood Kraft) Marktzellstoff. Das Unternehmen gehört gemeinsam mit den Schwesterwerken Zellstoff Rosenthal im südthüringischen Blankenstein und Zellstoff Celgar in Castlegar/Kanada zu der amerikanisch-kanadischen Mercer International Group, einem der weltweit führenden Hersteller im Segment des langfaserigen Marktzellstoffs. Darüber hinaus ist Zellstoff Stendal gleichzeitig Betreiber von Deutschlands größtem Biomassekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 135 MW. Das Werk erzeugt seinen gesamten Eigenbedarf an Strom selbst, und speist darüber hinaus einen großen Teil der auf Basis erneuerbarer Rohstoffe erzeugten Energie in das öffentliche Stromnetz ein.

20151030_silva-zellstoff-stendal_0039Der qualitativ hochwertige Zellstoff wird vor allem bei der Herstellung von Druck- und Hygienepapieren sowie als Verstärkungsfaser bei der Verarbeitung von Altpapier eingesetzt. Die Gesamtkapazität der drei von Mercer betriebenen Zellstoffwerke beläuft sich weltweit auf mehr als 1,5 Mio. Tonnen Kraftzellstoff jährlich. Die Zellstoffproduktion in Arneburg belief sich 2014 auf ca. 670.000 t. Auch die weiteren Zahlen des Werks sind beeindruckend, so stieg der Umsatz in den letzten Jahren auf über 400 Mio. € jährlich. Insgesamt arbeiten ca. 400 Personen im Werk, der Rohstoffbedarf lag im letzten Jahr bei 3.360 tfm. Bestritten wird dieser aus nicht sägefähigem, sog. Industrieholz aus der regionalen Forstwirtschaft und aus Hackschnitzeln, die als Reststoffe in den Sägewerken anfallen.

20151030_silva-zellstoff-stendal_0003Kraftzellstoff aus Nadelholz hat für die Papierindustrie eine besondere Bedeutung. Aufgrund seiner sehr guten Eigenschaften, vor allem der hohen Reißfestigkeit und des hohen Weißgrades werden diese Zellstoffe beispielsweise für hochwertige Druck- und Kopierpapiere, Tapetenrohpapiere, für Hygienepapiere (Taschentücher, Küchenrollen), für Filterpapiere sowie eine Reihe von Spezialpapieren wie Silikonrohpapier eingesetzt. Die guten Festigkeitseigenschaften schätzen die Papiermacher aber auch, weil sie ihren Maschinen zu einem schnelleren und ruhigeren Lauf verhelfen. Oft wird von den Papierherstellern nur ein kleiner Anteil Nadelholzkraftzellstoff verwendet. Der übrige Anteil ist Kurzfaserkraftzellstoff, zum Beispiel der in südlichen Ländern hergestellte Eukalyptuszellstoff, oder anderer Laubholzzellstoffe aus Birke, Pappel oder Buche. Als weiterer Faserstoff für die Papierherstellung kann aber auch aufbereitetes Altpapier zum Einsatz kommen.

20151030_silva-zellstoff-stendal_0075aDr. Rainer Busch entführte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend in die Grundlagen der „Zellstoff- und Zucker-Chemie und Biotechnologie“. Obwohl viele der Teilnehmer keine Chemiker waren und die Erläuterungen zur „Zucker-Chemie“ zunehmend komplexer wurden, entwickelte sich zwischen Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff-Doppelbindung ein Bild vom Prinzip der Bioraffinerie und den Bausteinen der modernen chemischen Industrie. Auch die Perspektive, dass sich u.a. im Kunststoffbereich einmal sämtliche fossile Rohstoffe durch erneuerbare Ressourcen ersetzen lassen, gewann deutlich an Kontur. Davon ausgehend wurde ein Bogen zur Bioökonomie und den Tätigkeiten des Spitzenclusters Bioökonomie gespannt.

20151030_silva-zellstoff-stendal_0020Nach einem Mittagsimbiss hatte sich der Nebel weitestgehend gelichtet, so dass sich eine Werksführung anschließen konnte. Ausgerüstet mit Helm, Warnweste und Gehörschutz lotste Eberhard Dobschall die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch das Werksgelände und ausgewählte Betriebsbereiche: So konnten die großen Holzhackschnitzel-„Piles“ (Hügel) ebenso wie die „Batch-Kocherei“, in denen die Hackschnitzel unter Zugabe von Natronlauge zu Zellstoff gekocht werden, betrachtet werden. Die technischen Anlagen zur Weiterverarbeitung (Zellstoffentwässerung, Trockner, Verpackungsstraße, Lagerhalle) waren in ihren Dimensionen und Funktionsweisen, die Herr Dobschall detailreich erläuterte, beeindruckend. Gerne wäre angesichts der kühlen Frische auf dem Außengelände der ein oder andere länger in den betriebsamen Werkshallen geblieben. Schließlich herrschte hier ein tropenähnliches Klima. Die Führung schloss mit einer Besichtigung der Holzlagerstätten, auf der Radlader mit Greifvorrichtung die Stämme zur Hackerei transportieren. Glücklicherweise lief das Zellstoffwerk gerade im Anfahrmodus nach einem Revisionsstillstand und die Hackerei war noch nicht in Betrieb. Sonst hätte man wohl sein eigenes Wort nicht verstanden.

Dank dieses gelungenen Auftakts waren sich auch die Organisatoren der AG SILVA einig, dass das Format eine Fortsetzung verdient.

Fotos: Henning Mertens / BioEconomy e. V.

Über SILVA

Die AG SILVA möchte den Austausch zwischen den Projekten und den Themengebieten innerhalb des Spitzenclusters Bioökonomie vorantreiben. Die Mitglieder sind Vertreter unterschiedlicher Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette des Spitzenclusters BioEconomy abdecken. Die AG SILVA versteht sich als Plattform für einen kreativen Austausch im Cluster und unterstützt den Cluster z.B. als Inkubator für neue Bioökonomie-Ideen und -Ansätze. Im Rahmen von SILVA-Arbeitstreffen entstehen offene Räume zur Ideengenerierung, die Platz für den vertraulichen Interessens- und Ideenaustausch z.B. zwischen Industrie und Forschung schaffen. Weitere Exkursionen zu Spitzencluster-Mitgliedern sind in der Vorbereitung und werden zeitnah angekündigt.